Bei dem Wort Tagebuch haben viele das stereotypische Bild im Kopf, wo Teenies ihre heimliche Liebe beschreiben oder mit dem Liebeskummer kämpfen. Andere denken sich vielleicht, was soll ich denn da rein schreiben außer „ich bin aufgestanden, habe gefrühstückt, bin in die Arbeit, …..“.
Das Tagebuch, von dem ich heute erzählen möchte, ist ein Tagebuch für Gefühle und Gedanken. Ein Tagebuch, das mich bei der Bewältigung von Depression und psychischen Belastungen unterstützt. Ein Tagebuch, das ganz individuell sich mir anpasst und mir entspricht. Vielleicht hast du den Begriff „Journaling“ schon mal in diesem Zusammenhang gehört, was besser beschreibt, was ich unter Tagebuch verstehe. Es gibt auch den Begriff des „therapeutisches Tagebuchs“. Der ist für mich aber zu hochtrabend und zu anspruchsvoll.
Vorteil
Das Tagebuch schreiben bzw. Journaling hat viele Vorteile.

Indem ich mir die Gedanken, die so durch meinen Kopf fließen, aufschreibe, kann ich sie besser entwirren, überprüfen, ob sie stimmen. Auch dadurch, dass die Gedanken nun auf Papier (oder dem Bildschirm) stehen, kann ich die Gedankenspiralen in meinem Kopf durchbrechen. Die Gedanken werden greifbarer.
Nicht nur die Gedanken werden greifbarer, auch die dazugehörigen Gefühle werden klarer. Durch das Aufschreiben entsteht eine gewisse Distanz, die es mir erlaubt, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Tagebuch schreiben hat auch viel mit Achtsamkeit zu tun. Ein paar Minuten am Tag konzentriere ich mich nur auf mich, aucf meine Gefühle und Gedanken, auf das, was mich bewegt. Dadurch entsteht eine innere Klarheit und ich kann mich besser selbst steuern.
Darüber hinaus kann ich mich auch auf Positives konzentrieren. Für was bin ich heute dankbar? Welche schönen Momente hatte ich? Was ist mir heute geglückt? Woran hatte ich heute Freude? Das verschiebt den Fokus von all dem Schwierigen auf das auch existierende Schöne. Das gibt eine neue Perspektive und mehr Zuversicht.
Was ich auch genial finde, ist, dass ich mein Tagebuch so führen kann, wie ich will. Es kann vor Rechtschreibfehlern strotzen, die Schrift kaum leserlich sein. Ich kann Bilder, Skizzen, Farben und Zeichen verwenden. Ich bin total frei in meiner Gestaltung. Es ist nur für mich. Nur ich sehe und lese es.
Nachteile
Bei all den vielen berechtigten Vorteile muss man sich auch folgender Gefahr bewusst sein.

Wenn du beim Tagebuch schreiben merkst, dass es dir danach schlechter geht, du dich noch mehr um die gleichen trüben Gedanken drehst, dann höre damit bitte sofort auf. Hole dir bitte kompetente Hilfe. Spreche mit deinem Therapeuten oder Arzt darüber.
Wie mache ich das ganz praktisch
Ich habe eine ganz einfache DIN A5 Kladde/Notizbuch. Darin schreibe ich mit meinem Lieblingsstift, was gut war. Wenn etwas nicht so gut lief, überlege ich mir, wie ich es besser hätte lösen können. Ich schreibe über das, worüber ich mich gefreut habe, aber auch, über was ich mich geärgert habe. Weil ich schnell den Überblick über meine Einnahme von Bedarfsmedikamenten verliere, notiere ich mir auch, was ich wann, warum genommen habe.
Es wäre super, wenn ich jeden Tag etwas hinein schreiben würde. Das schaffe ich aber nicht. Es gibt Zeiten, da klappt es ganz gut und dann auch wieder Zeiten, wo es nicht so gut klappt. Inzwischen mache ich mir da aber keinen Stress. Zwar habe ich eine Abendroutine, die das Tagebuchschreiben beinhaltet, aber die gerät leider immer wieder aus dem Fokus.
Es gibt inzwischen auch gute Apps für ein Tagebuch. Wer also nicht so gerne mit Papier und Stift unterwegs ist, kann auch auf Apps zurückgreifen.
Was auch ein guter Einstieg sein kann, sind sogenannte Depressionstagebücher zum Ausfüllen. Inzwischen gibt es verschiedene auf dem Büchermarkt. Vielleicht ist ja da etwas für dich dabei.
Meine persönliche Erfahrung
Ich profitiere sehr viel von meinem Tagebuch. Es lässt mich auch nach der Therapie weiter an meinen Problemfeldern arbeiten. Es lässt mich auch erkennen, wo ich Fortschritte mache. Das motiviert mich, meinen Weg weiter zu gehen. Ich sehe auch, wofür ich dankbar sein kann. Das hebt meine Stimmung langfristig. Auch, dass ich meinen Frust los werden kann, ohne dabei jemand anderen zu verletzen, ist befreiend. Danach, wenn ich meine Gedanken und Gefühle sortiert habe, kann ich besser mit der Situation umgehen.
Ich möchte dich ermutigen, es einfach mal auszuprobieren. Schnapp‘ dir einen Stift, etwas Schmierpapier und lege los. Verlieren kannst du dabei nichts.
Wenn du dabei bleiben möchtest, kannst du dir ein ganz einfaches Heft, Buch, Kladde kaufen und es mit den Einbänden von mir (unter Nützliches) verschönern.